vom 16. Februar 2020 in der Pfarre Bergau bei der Visitationsmesse

Liebe Schwestern und Brüder!
Ich kann mir schon vorstellen, dass die Kirche nicht jeden Sonntag so voll ist wie sie es heute ist. Einerseits weil ich Erfahrung als Weihbischof habe und zweitens, weil ich Erfahrung als Pfarrer habe. Ich durfte in den Jahren von 2000 bis 2005 Ihr Nachbarpfarrer sein, als Pfarrer von Großmugl und Herzogbirbaum. Es ist war ein anderer Bezirk, aber trotzdem der Nachbar und so anders sind die Leute dort auch nicht.
Heute sind viele da. Wir feiern ein besonderes Fest, aber eigentlich ist es dasselbe Fest, was wir jeden Sonntag feiern, nämlich die Begegnung mit dem dreifaltigen Gott in seinem Wort und in der Feier der Eucharistie, des Todes und der Auferstehung von Jesus Christus.
Was bringt es eigentlich, wenn man am Sonntag in die Kirche geht? Es ist eine wichtige Frage und ich rümpfe über niemanden die Nase, der diese Frage stellt.

Was bringt mir die Sonntagsmesse? Meine Antwort darauf ist: „Mir bringt sie Lebensqualität.“

Lebensqualität, weil ich dadurch eine Auszeit habe und der Sonntag dadurch deutlich anders ist als die anderen Tage.
Lebensqualität, weil in mir Dankbarkeit und Aufmerksamkeit wachsen. Dankbarkeit für mein eigenes Leben, dass ich überhaupt leben darf.
Das hat nicht mit meiner Arbeit zu tun; nicht mit dem zu tun, was ich irgendwo kaufen kann; nicht mit dem zu tun, was ich in den Medien lese, sondern mit Gott zu tun. Deshalb wenn ich mir eine Zeit zum Beten nehme, wächst in mir die Dankbarkeit, dass ich überhaupt leben darf, und dass die anderen Menschen leben dürfen, mit denen ich gerne zusammen bin. Und dann wächst meine Aufmerksamkeit auf die Gegenwart Gottes, dass Gott da ist, auch wenn ich ihn nicht sehen kann. Dass er jeden Tag der Woche da sein wird und mich begleiten wird. Vielleicht denk ich da nicht immer dran – ich tu‘s nicht. Aber in dieser Stunde am Sonntag übe ich meine Aufmerksamkeit. Sie hilft mir dann die ganze Woche.
Dann profitiere ich auch immer noch vom Thema, das es jeden Sonntag gibt, durch das Evangelium, das wir hören. Es ist ein Thema, das niemand von uns ausgesucht hat, sondern das ist das Evangelium, das heute in allen katholischen Kirchen auf der ganzen Welt gelesen wird, in so vielen Sprachen wie es auf der Welt gibt. Und über dieses Thema möchte ich nun mit Ihnen nachdenken und darüber sprechen.
Es ist kein einfaches Thema, denn es ist das Thema der Sünde. Das Thema ist immer ein bisschen unangenehm. Warum muss man über die Sünde reden? Weil Jesus über die Sünde geredet hat. Wieso hat Jesus über die Sünde geredet? Weil er den Menschen sagen wollte: „Gebt Acht! Die Sünde ist etwas Ernstes. Wir sollen sie meiden. Aber verfallt nicht in Panik wegen der Sünde, weil Gottes Liebe noch viel größer ist als jede Sünde der Welt. Schaut vor allem auf Gott, dann werdet ihr euch trauen, wahrhaftig auf euer Leben zu schauen.“
Die Botschaft von Jesus ist also eine Hilfe, nichts im eigenen Leben zu verdrängen. Wer Christ ist und eine Ahnung hat von der Liebe Gottes, die größer ist als alles, der darf sich trauen, hinzuschauen auf die Wirklichkeit des eigenen Lebens. Der darf sich trauen zu sagen, da gibt es so manches das nicht so toll ist. Es ist also eine Sehhilfe, die uns Jesus hier anbietet. Eine Sehhilfe in die eigene Seele hinein. Immer wieder habe ich mit Menschen Kontakt und spreche auch über die Beichte und da sagen mir manche durchaus wohlwollend: „Herr Bischof“ oder früher auch „Herr Pfarrer, ich weiß eigentlich gar nicht, was ich beichten soll. Ich habe keine Sünden.“ Und das verstehe ich, wenn man mit den Sünden die ganz großen Brocken meint. Aber Sünden, kleinere Sünden gibt es ja auch und auf diese weist Jesus in dem heutigen Evangelium hin und sagt: „Schaut nicht nur auf die großen Brocken, sondern schaut auch auf das Kleine im Leben, weil auch Sand im Getriebe Unmut wirken kann, nicht nur die großen Steine.“ Schauen wir genauer hin. Es geht um eine Belehrung Jesu an seine Jünger. In der er hinweist, dass die Schriftgelehrten und die Pharisäer einen Fehler machen. Er sagt: „Wenn nicht eure Gerechtigkeit viel größer ist als die der Schriftgelehrten und der Pharisäer, werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen.“ Die Schriftgelehrten und die Pharisäer waren damals die Experten für das Gebot. Was hat Jesus an ihnen auszusetzen? Dass sie nur auf die großen Brocken schauen und er nimmt dafür drei Beispiele heraus aus den zehn Geboten. Die zehn Gebote, ich nehme an, wir kennen sie alle, auch wenn wir sie nicht gleich alle so parat haben. Ich wiederhole sie noch einmal. Sie können in Gedanken mitschauen, welche sie kennen, welche nicht. Die ersten drei handeln von Gott, die weiteren sieben von der Beziehung zu den Menschen.
1. Gebot: Du sollst an einen Gott glauben.
2. Gebot: Du sollst den Namen Gottes, d.h. seine Person, nicht verunehren. Du sollst Ehrfurcht haben vor Gott. Er ist nicht irgendwer.
3. Gebot: Du sollst den Tag des Herrn heiligen. Du sollst am Sonntag unterbrechen und aufmerksam sein für Gott.
4. Gebot: Du sollst Vater und Mutter ehren.
5. Gebot: Du sollst nicht töten.
6. Gebot: Du sollst nicht die Ehe brechen.
7. Gebot: Du sollst nicht stehlen.
8. Gebot: Du sollst nicht lügen.
9. Gebot: Du sollst nicht begehren deines Nächsten Frau.
10. Gebot: Du sollst nicht begehren deines Nächsten Gut.

Jetzt schauen wir einmal, welche der zehn Gebote Jesus hier zitiert. Ich lese vor: „Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt worden ist: Du sollst nicht töten; wer aber jemanden tötet, soll dem Gericht verfallen sein.“ – 5. Gebot. Die Pharisäer haben gesagt: „Ja, töten wollen wir nicht“, aber sie haben auch gesagt, „ich habe auch niemanden getötet – wo ist das Problem?“ Da fährt Jesus fort: „Ich aber sage euch: Jeder, der seinem Bruder auch nur zürnt, soll dem Gericht verfallen sein.“ Jesus bringt das Zürnen in Zusammenhang mit dem 5. Gebot, weil er sagt, dass jeder Mord ganz klein beginnt – mit Zorn. Ich ärgere mich über wen anderen, ich habe einen Streit mit wem andern, es schaukelt sich auf und im schlimmsten Fall endet es mit Mord. Aber die Sünde ist nicht nur der Mord, sondern alles, was sich bis dahin so aufbaut. Jesus sagt: „Darauf seid aufmerksam – nicht nur auf die großen Brocken, sondern auf alles, was dorthin führt.“
2. Beispiel: Jesus sagt: „Ihr habt gehört, ihr sollt nicht die Ehe brechen.“ – 6. Gebot. Jesus schärft wieder den Blick und sagt: „Ich aber sage euch: Jeder der eine Frau ansieht, um sie zu begehren, hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen.“ Also nicht nur die Tat des Ehebruches verurteilt Jesus, sondern alles was dahinführt. Die Art und Weise, wie wir einem Mensch, einem anderen Menschen, besonders einer Frau als Männer begegnen. Geschieht dies mit Respekt und Ehrfurcht oder Ich-bezogen, im Sinn von: meine Triebbefriedigung ist das Oberste? Dann wird der andere zum Objekt, beginnt auch schon in Gedanken.
3. Beispiel: „Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt worden ist: Du sollst keinen Meineid schwören.“ – 8. Gebot: Du sollst nicht lügen. Gemeint war damit vor allem die Situation vor Gericht, denn wenn man vor Gericht lügt, dann kann das dem anderen Menschen das Urteil kosten. Und Jesus sagt: „Nein, nicht nur vor Gericht. Ich aber sage euch: Schwört überhaupt nicht. Ihr sollt es nicht nötig haben, besonders zu schwören: ‚Jetzt sage ich die Wahrheit. Sonst ja nicht, aber jetzt sag ich sie.‘ Deshalb sagt, ihr braucht es nicht nötig haben zu schwören. Eure Rede sei: ‚Ja – ja. Also wenn ja, dann ja; oder nein, dann auch wirklich nein.‘ Was darüber hinausgeht, stammt vom Bösen.“
Jesus sagt, ihr sollt verlässliche, ehrliche Menschen sein und nicht Notlügen oder falsche Ausreden verwenden oder es sich schönreden, den anderen täuschen. Ihr sollt wahrhaftige Menschen sein, weil einfach das Zusammenleben dann schöner ist, einfacher, liebevoller, lebendiger. Jesus traut sich, seinen Jüngern das zuzumuten. Das war für seine Jünger sicher schwere Kost. Denn sie werden erschrocken sein und gesagt haben: „Ja dann bin ich ja nicht gerecht. Dann entdecke ich in meinem Herzen auch diese kleinen Sünden.“ Die frohe Botschaft von Jesus heißt aber: „Und trotzdem bist du geliebt! Erschrick nicht! Ich selbst, Jesus Christus, möchte dir helfen, dass du innerlich wächst, hinein in diese Reife des Menschen, die Gott für jeden von uns vorgesehen hat oder bereithält.“
Also sind wir doch irgendwo beschenkt von diesem Wort Gottes heute. Mögen Sie alle heute von der Messe nach Hause gehen mit einem Gefühl der Freude im Herzen, dass Gott bei Ihnen ist, auf Sie aufmerksam ist und Ihnen helfen möchte, eine Woche zu leben in Dankbarkeit, in Aufmerksamkeit und im Bewusstsein, noch mehr geliebt zu sein, was immer dann auch passiert.