Predigt Visitationsgottesdienst WB DI Mag. Stephan Turnovszky Göllersdorf, 29.2.2020

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, Mitbrüder, liebe Schwestern und Brüder!

Ich gestehe, das war heute schon ein bisserl eigenartig in der Sakristei, weil ich eben gesagt habe, ich bitte um Verständnis, dass ich lieber nicht Hände schüttle, dass ich nicht zu einem Virusverbreiter werde und dann haben wir uns in der Sakristei die Hände desinfiziert im Hinblick auf die Kommunionspendung.
Eigenartig, wenn die Normalität unterbrochen wird und wenn man auf Distanz ist irgendwie –  das widerspricht der natürlichen Sehnsucht des Menschen.

Die Fastenzeit ist die große Zeit, um das zu reflektieren. Wie stehts denn um Nähe und Distanz meines Herzens zu Gott und zu anderen Menschen? Denn was hilft es mir, wenn ich Hände schüttle und mit meinem Herz und meinen Gedanken ganz weit weg bin?
Was hilft es mir, wenn ich über soziale Medien mit Hunderten Menschen verbunden bin, Likes bekomme, aber jede Verbindung unverbindlich bleibt.
Was hilft es mir, wenn ich mit der ganzen Welt verbunden bin über die Fernsehnachrichten, aber von keinem Menschen wirklich weiß, wie es ihm geht und keiner von mir weiß, wie es mir geht.
Die Fastenzeit lädt uns ein, Herzensnähe zu suchen, die viel tiefer geht als die Art und Weise wie wir Nähe ausdrücken können.
Unsere Ausdrucksformen sind schon wichtig und heute habe ich direkt darunter gelitten wie ich sie nicht so pflegen kann. Aber das eigentlich Wichtige ist das, was wir leiblich ausdrücken wollen und mit dem Herzen meinen.
Du interessierst mich, ich möchte dir nahe sein, ich möchte wissen, wie es dir geht. Ich möchte dir zuhören, du bist mir wichtig.
Das ist es, worum es eigentlich geht und das wir mit unseren Gesten ausdrücken, ins Bild bringen. Aber das Eigentliche sind nicht die Gesten, sondern die Herzenshaltung.
Man kann Menschen auch sehr verlogen die Hand reichen und damit nicht meinen, was der Körper ausdrückt und damit wäre nichts gewonnen.
So laden uns also die Fastenzeit und die Hygienemaßnahmen gleichermaßen ein, auf die Herzensebene  zu achten und zu schauen.
Und von der Herzensebene spricht auch die Hl. Schrift. Heute ist schon sehr viel von der Sünde die Rede gewesen, das ist nicht ein einfaches Vokabel. Was ist denn mit Sünde gemeint? Ist Sünde dasselbe wie Schuld? Für den gläubigen Menschen sind diese beiden Begriffe ganz nahe beieinander.
Ein Mensch, der nicht an Gott glaubt, der versteht sehr wohl was Schuld ist, nämlich dort wo zwischen zwei Menschen etwas ganz ins Schiefe geraten ist und einer dem anderen Böses getan hat oder etwas schuldig geblieben ist.  Aber was Sünde ist, dafür hat ein Gespür der Mensch, der an Gott glaubt. Denn Sünde heißt, eine Verfehlung gegen das, was Gott möchte, was Gott wichtig ist. Also gegen die Liebe Gottes, können wir sagen.
Und da Gott jeden Menschen liebt, ist auch jedes Vergehen, jedes lieblose Vergehen gegen einen anderen Menschen eine Sünde, weil es nicht dem Traum Gottes von uns entspricht.
Warum fällt es schwer über die Sünde zu reden. Es ist irgendwie ein unangenehmes Thema. Ich denke aus zwei Gründen. Der erste Grund ist der, es ist ein intimes Thema. Es hängt mit dem eigenen Herzen zusammen. Und wen lässt man schon ins eigene Herz schauen, an das eigene Herz heran?
Und der zweite Grund ist der – man geniert sich leicht. Und dann braucht es eine Größe des Glaubens, um zu erfassen, dass es mit der Liebe Gottes weit mehr gibt als die Sünde.
Sünde, das wissen wir irgendwie instinktiv, ist ein großes Thema, aber es zu verdrängen ist eine unkluge Strategie. Der Christ darf sich trauen hinzuschauen auf das Thema Sünde, weil er weiß, dass Gott ein noch viel größeres Thema ist.

Es gibt keine Sünde der Welt mit der im Vergleich die Liebe Gottes nicht noch viel viel größer wär.

Viele Heilige haben davon gewusst. Die Hl. Therese von Lisieux hat es eindrucksvoll ins Wort gebracht.
Sie hat gesagt: „Selbst wenn ich die ganzen Sünden der Welt auf mich laden würde, dann wäre das nur ein Tropfen im Ozean deiner Liebe.“

Die Liebe Gottes ist einfach viel viel größer.
Und deshalb, ein Mensch, der sich mit der Liebe Gottes auseinandersetzt, der den Umgang mit ihr pflegt, der versucht sie zu verstehen, der erschrickt nicht so leicht vor der Sünde, sondern der weiß, ja – ich komm nicht so leicht aus wie das Vokabel von der Erbsünde sagt, aber Gott liebt mich trotzdem.
Und wenn sie mir auffällt die Sünde, dann werde ich mich bemühen, dass ich sie ablege, dass ich sie nicht wiederhole. Aber ich starre nicht fixiert auf meine Sünde, sondern ich bleibe ausgerichtet auf Gottes Liebe.

In der ersten Lesung haben wir in dieser wunderbaren mythischen Poesie der Schöpfungsgeschichte gehört von der Ursünde. Das soll keine Nacherzählung sein, sondern es soll eine Meditation sein über das Wesen von Sünde.
Da heißt es zuerst, Gott hat alles wunderbar geordnet und er ist ein Freund des Lebens. Und dann kommt die Schlange und ist verlogen und lügt so den Menschen ins Ohr oder ins Herz – die Stimme der Versuchung.
Ich denke, ein jeder wird sie in irgendeiner Art und Weise kennen. Ich kenne sie.
Diese Stimme sagt: „Hat Gott wirklich gesagt, ihr dürft von keinem Baum des Gartens essen?“
Das hatte Gott nicht gesagt. Die Versuchung verdreht die Liebe Gottes und sie fokussiert ganz stark auf das Verbotene.
Und dann geht es weiter. Die Frau stellt richtig was Gott gesagt hat, nämlich davon dürft ihr nicht essen, sonst werdet ihr sterben. Darauf sagt die Schlange zur Frau: „Nein, ihr werdet nicht sterben. Gott weiß viel mehr, sobald ihr davon esst, gehen euch die Augen auf. Ihr werdet wie Gott und erkennt Gut und Böse.“

Die Versuchung, die flüstert einem zu, es wäre köstlich und das was Gott nicht empfohlen hat, verboten hat, das wird die Lebensfülle drinnen.
Dahinter steht eine legitime Sehnsucht, nämlich die nach der Fülle des Lebens. Aber die Lüge der Versuchung bringt einem auf die falsche Spur, so als wäre die Fülle dort zu finden.
Ja und dann geht die Geschichte weiter und wir wissen, wie sie endet. Sie essen von der verbotenen Frucht und finden nicht die Freude und die Erfüllung, aber es gehen ihnen die Augen auf über das was sie getan haben und sie schämen sich, sie erkennen, dass sie nackt sind. Sie erkennen ihre eigene Armut und entdecken, dass das was sie für so großartig gehalten haben, in sich zusammenfällt wie Seifenblasen, wie ein Kartenhaus. Eine wunderbare Beschreibung von Versuchung und Sünde.

In der zweiten Lesung haben wir dann gehört, diese Gegenüberstellung des Apostels Paulus der sagt: „So wie der eine Mensch, damit ist gemeint Adam, gesündigt hat, so ist der eine Mensch, gemeint ist Jesus Christus, Retter, weil er nicht gesündigt hat.“

Und das führt uns hin zum Evangelium, das uns geschildert hat wie dieser zweite Adam, wie er auch in der theologischen Literatur der alten Zeit immer wieder genannt wird, nicht gesündigt hat angesichts der Versuchung. Diese Geschichte von der Versuchung Jesu hören wie jedes Jahr am ersten Fastensonntag nach einem anderen Evangelisten. Es sind immer die drei Versuchungen. Die drei Grundversuchungen des Menschen: Habsucht, Ehrsucht und Machtsucht. Die sind hier so exemplarisch dargestellt.

Die Habsucht. Jesus hat vierzig Tage und Nächte gefastet, man kann sich vorstellen, welchen Hunger er hatte.
Und dann tritt der Teufel an ihn heran und sagt: „Wenn du Gottes Sohn bist, so befiehl, dass aus diesen Steinen Brot wird. Tu dir doch schnell was Gutes, verwöhn dich, gönn dir doch etwas.“ Und die Habsucht macht dann daraus –  ich möchte das und sofort.  Der Versucher sagt: „Du kannst doch zaubern, leist dir etwas.“ Es ist nichts gegen Brot zu sagen. Im Gegenteil – Jesus hat gelehrt, dass wir um das tägliche Brot beten sollen. Nicht das Brot ist das Schlechte sondern diese Einstellung der Habsucht, die da heißt – ich will das haben und sofort und blind wird für die Not von Menschen links und rechts von mir. Und blind wird für das, was meinem Herzen gut tut.
Die zweite Versuchung ist die der Ehrsucht. Jesus wird vom Teufel auf den Tempel mitten in der Stadt Jerusalem geführt und der Teufel fordert ihn auf, spring doch hinunter, die Engel werden dich doch auffangen.
Man stelle sich das Spektakel vor – mitten in Jerusalem am Tempel oben auf der Zinne, auf dem  Hauptplatz sozusagen, da steht einer und stürzt sich herunter und wird von den Engeln aufgefangen. Also eine bessere Werbung gibt es nicht. Das wäre Publicity. So ähnlich wie am Stephansplatz, sich vom Südturm  stürzen und von Engeln aufgefangen werden. Da reden dann alle davon. Der Teufel flüstert Jesus ins Ohr und sagt: „Beliebt muss du sein, Likes musst du haben, berühmt musst du sein, geschätzt und gewählt und ja -bekannt.“
Und Jesus sagt: „Das Wichtigste ist, dass Gott mich kennt, der weiß alles. Du sollst ihn nicht auf die Probe stellen, sondern was zählt ist die Herzensbeziehung,  von der ich weiß, Gott liebt mich.“
Und die dritte Versuchung.  Der Teufel nimmt Jesus mit auf einen hohen Berg und zeigt ihm von dort alle Reiche der Welt mit ihrer Pracht und sagt: „Das alles will ich dir geben, wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest, alle Reiche kannst du haben, kannst Herr über alles sein.“
Die Versuchung der Herrschsucht, der Oberste sein, bestimmen können, sich durchsetzen, Ellenbogen einsetzen, anschaffen, was geschieht, über andere dominieren. Alles das ist da drinnen.
Das Evangelium drückt sehr klug aus, wenn man wirklich das an die erste Stelle stellt, dann wird man sehr schnell zum Diener der eigenen Karriere und Macht. Dann unterwirft man sich sehr schnell anderen Mächten und wird nicht wirklich frei und ein Diener für andere Menschen. Jesus hatte das verstanden, er hat das verstanden.

Und die Erlösung von der der Apostel Paulus in der zweiten Lesung gesprochen hat besteht darin, mit Jesus verbunden zu leben, sodass seine Weisheit und Macht immer mehr Raum greift im eigenen Herzen. Und darum soll es gehen in diesen vierzig Tagen. Platz für Jesus machen, damit das eigene Herz von ihm berührt wird und ein beziehungsfähiges Herz wird.
Machtsucht, Ehrsucht, Habsucht werden von Jesus überwunden. Die Habsucht wird gewandelt in die Fähigkeit zu teilen, die Ehrsucht wird gewandelt in die Ehrfurcht, in den tiefen Respekt vorm anderen,  in die Fähigkeit, sich vor einem anderen Menschen zu verneigen. Und die Machtsucht wird gewandelt in die Bereitschaft zum Dienst, für andere Menschen da zu sein und nicht zu erwarten, dass andere für mich da sind.

Wir haben also eine wirkliche Zeit der Wandlung, der Verwandlung in diesen vierzig Tagen vor uns.

Ja, ich wünsch Ihnen allen, uns allen, dass wir sie als eine Zeit erleben können, in der Herzen berührt werden und Herzen wieder näher rücken zum Herrn und zueinander.