Gedanken zum Palmsonntag
Liebe Christinnen und Christen!
Die Palmzweige sind Frühlingsboten, Boten des Lebens. Früher steckte man sie gerne in die Felder, um die Fruchtbarkeit zu fördern. Ich finde den Brauch sehr schön, dass man Palmzweige ans Kreuz steckt. Das Kreuz ist der Weg zur Fruchtbarkeit.
Jeder der vier Evangelisten sieht die Ereignisse des Lebens Jesu in einem anderen Licht. Jeder der vier Evangelisten arbeitet andere Aspekte heraus, die relevant für den Glaubenden sind. So schauen wir sozusagen in den vier Evangelien in einer vierdimensionalen Sicht auf die Ereignisse.
Auf 3 Aspekte, die Matthäus beim Einzug Jesu in Jerusalem betont, möchte ich hinweisen:
+ Jesus erfüllt Hoffnung, die im Menschen da ist:
Matthäus schreibt immer wieder, dass etwas geschehen ist, damit sich die Schrift (also ein Wort aus der Bibel) erfüllt. Jesus erfüllt die Sehnsucht der Menschen. Wir könnten es allgemeiner sagen: die Sehnsucht, die im Menschen liegt, ist nicht einfach eine Illusion, sondern in dieser Sehnsucht des Menschen liegt eine Zusage. Sehnsucht ist natürlich nicht einfach jeder Wunsch, der so aufkommt. Aber es gibt Sehnsucht, die sozusagen von Gott ins Herz hineingelegt ist. Nelly Sachs fasst es so: „Alles beginnt mit der Sehnsucht!“ – es ist so wichtig, die Tiefensehnsucht nicht zu überhören.
+ Jesus bringt Frieden:
Da gibt es in der jüdischen Bibel beim Propheten Sacharja das Hoffnungsbild vom König, der auf dem Esel reitet, nicht auf Streitwagen und Kampfpferden. Der Mensch trägt in sich die Hoffnung auf Frieden, und die Bibel bestätigt diese Hoffnung: das ist nicht Trug und Illusion! Jesus hat anscheinend sehr bewusst und kreativ (in einer Performance sozusagen) gezeigt: Ich bin dieser König, der den Frieden bringt. Denen, die erwartet haben, dass der Messias mit Gewalt die Welt zum Besseren ändert, zeigt er seinen Weg. (dieser Weg führt ihn übrigens direkt in den Tempel – beim Gottesdienst und beim Gottesbild fängt anscheinend der Friede an!). Die menschliche Sehnsucht nach Frieden ist von Gott ins Herz gelegt, und Jesus zeigt den Weg dorthin. Gewalt hilft da letztlich nicht, aber durchaus beherztes und entschiedenes Auftreten. Wie versuche ich Frieden zu finden?
+ Jesus bringt bisherige Lebensmuster zum Wanken:
Es heißt bei Matthäus: „Als Jesus in Jerusalem einzog, erbebte die ganze Stadt.“ Auch bei der Auferstehung erwähnt er als einziger ein Erdbeben. Mit dem Beben der Erde ist natürlich mehr gemeint als ein tektonisches Ereignis. Da geht es um ein Bild für einen inneren Vorgang. Wenn Jesus in eine Stadt, in eine Gemeinschaft, in ein Herz kommt, dann verändert sich etwas, dann bebt es, dann verschieben sich Gewichte. Was früher unverrückbar stand, steht jetzt in der Werteordnung woanders. Das löst Angst aus, vielleicht auch Abwehr. Aber nur so kann sich Heilung und Befreiung durchsetzen. Wo bringt Jesus mein Weltbild zum Beben, wo will er mich erschüttern und ändern?