Visitationspredigt von Weihbischof Turnovszky in Breitenwaida am 1.3.2020
Sehr geehrter Herr Bürgermeister!
Liebe Mitbrüder!
Liebe Schwestern und Brüder!
Beim Betreten der Kirche haben Sie vielleicht den folierten Zettel gesehen, der hinten klebt und der Hinweise gibt, was zu beachten ist, um die Ausbreitung des Corona-Virus einzudämmen.
Da stehen drei Punkte drauf:
- Dass kein Weihwasser im Weihwasserbecken ist, damit dadurch Flüssigkeit nicht weitergetragen wird.
- Beim Friedensgruß sind wir eingeladen, uns einander freundlich zuzunicken und zuzulächeln, aber uns nicht die Hand zu reichen.
- Der Dritte Punkt ist, dass die heilige Kommunion in dieser Zeit als Handkommunion und nicht als Mundkommunion gereicht wird. Der Sinn ist der, dass bei der Mundkommunion Feuchtigkeit auf die Finger des Kommunionsspenders gelangen kann und das soll nicht auf die nächste Hostie weitergegeben werden. Trocken ist es kein Problem.
Das zeigt ein Bemühen, aber zugleich eine gewisse Unbeholfenheit. Die jedenfalls ich spüre und vielleicht manche von Ihnen auch. Dieses Spannungsverhältnis zwischen zwei Extremen – der Nachlässigkeit und der Hysterie. Und beides können Versuchungen sein, womit wir uns dem Thema der heutigen Schriftverkündigung annähern.
Nachlässigkeit ist nicht in Ordnung. Eine Haltung der Nachlässigkeit, die sagt: „Wird schon nichts passieren und mich geht es nichts an.“ Das ist nicht aufmerksam dem Nächsten gegenüber, der einen Schaden erleiden könnte.
Das andere Extrem – die Hysterie, die Panikmache. Die geht letztlich davon aus, dass wir alles in den Griff bekommen können, wenn wir uns nur genug anstrengen. Also irgendwo auch einen Mangel an Gottvertrauen offenbart. Auch das ist eine Versuchung. Der Mensch wird nie alles in den Griff bekommen. Es bleibt einfach vieles unkalkulierbar, nicht in der Hand des Menschen.
Wie umgehen mit dem Spannungsfeld von Versuchungen, in das wir immer wieder gestellt sind?
Ich kann es anhand des Corona-Virus illustrieren, weil das im Moment jeder aus den Medien und aus der Berichterstattung kennt. Aber haben wir nicht tagtäglich mit solchen Grauzonen zu tun? Mit Entscheidungen, die getroffen werden müssen, wo man nicht so genau weiß, wo da jetzt das Gute ist.
Wie kann ich besser anderen Menschen dienen?
Was ist gottgefälliger?
Was unterstützt meine eigene Entfaltung und mein eigenes Leben mehr?
Und Hand aufs Herz: Manchmal weiß ich nicht, welche Motive es in meinem eigenen Herzen gibt. So gemischt ist dort die Motivlage. Da gibt es sehr Edles und sehr Selbstsüchtiges.
Am Beginn der Fastenzeit sind wir eingeladen darauf zu schauen, wie Jesus mit Versuchungen umgegangen ist. Jesus, der Sohn Gottes, erleidet Versuchungen? Wie ist denn das möglich? Das ist deshalb möglich, weil Jesus wahrer Gott, aber auch wahrer Mensch ist. Und als wahrer Mensch hat er Menschliches erlebt. Und dazu gehört auch Versuchung, Unklarheit. Die menschliche Situation, in die wir gestellt sind, in der wir nicht alles restlos durchschauen. Und das hat auch Jesus gekannt. Wahrer Mensch. Es heißt sogar am Anfang unseres Evangeliums, dass er vom Geist in die Wüste geführt wurde. Der Heilige Geist lässt es zu, dass Jesus in Versuchung geraten wird.
Auch in unserem Leben ist es so, dass der Heilige Geist, der Geist Gottes, es zulässt, dass wir in Situationen der besonderen Herausforderung geraten, um uns zu bewähren, das heißt, um zu wachsen. Um zu wachsen im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe. Dazu soll auch die Fastenzeit dienen. In neuer Art und Weise sich mit dieser Thematik bewusst auseinanderzusetzen. Sie nicht wegzuschieben, sondern zu üben.
Also schauen wir genauer auf dieses Evangelium hin. Am Beginn seines öffentlichen Lebens wurde Jesus von Johannes getauft. Da kommt der Heilige Geist auf ihn herab und er erlebt einen spirituellen Höhepunkt. Ein außergewöhnliches Erlebnis, in dem er sich selbst mit dem Vaters in der Kraft des Heilige Geistes verbunden weiß.
Das nächste, was die Bibel überliefert ist, dass dieser Heilige Geist ihn in die Wüste führt. Das ist das genaue Gegenteil. Die Wüste ist der Ort der Entbehrung, auch der Entbehrung dieser Gottgewissheit. So wie wir es im Alltag mitunter auch erleben. Jesus war nicht jeden Moment randvoll einer uns menschlich bekannten Gewissheit. Auch er hat Sorge gekannt, Anfechtungen gekannt – wie wir es auch von der Stunde seines Leidens wissen. Aber er hat sich darin bewährt. Es heißt, dass er in der Wüste 40 Tage und 40 Nächte gefastet hat. Das ist schon etwas ganz Großes, das so nicht viele Menschen tun werden. Das heißt, er hat sich ganz reduziert auf das einzig Wichtige. Und wir wissen aus einer anderen Stelle des Evangeliums, dass für Jesus das einzig Wichtige ist, auf den Vater ausgerichtet zu bleiben. Dort sagt er: „Meine Speise ist es, den Willen des Vaters zu tun.“ Von dieser Speise hat Jesus 40 Tage und 40 Nächte lang gelebt. Innerlich ausgerichtet sein auf Gott. Das hat er eingeübt. Interessanterweise hat selbst diese große Übungszeit des Gottessohnes nicht für sein ganzes Leben ausgereicht. Das Evangelium überliefert immer wieder, dass Jesus sich zurückgezogen hat, um zu beten. Da hat er das wieder eingeübt, daran angeknüpft an diese Erfahrung der 40 Tage.
Soll heißen, in der Fastenzeit sind wir eingeladen, das Gebet einzuüben. Wie auch jeder das macht – aber eines ist wichtig! Lassen Sie diese 40 Tage nicht vergehen, ohne sich im Gebet weiterzuentwickeln. Den nächsten Schritt zu gehen – wie auch immer der bei Ihnen ausschaut. Es soll ein Mehr sein. Ein Mehr wohl an Zeit, aber auch vor allem ein Mehr an Aufmerksamkeit, an Liebe, an Ernsthaftigkeit im Gebet.
Und nach diesen 40 Tagen und Nächten tritt der Versucher an ihn heran. Mit drei Grundversuchungen, die gut bekannt sind. Ich kenne sie aus meinem Leben und ich nehme an, jeder kennt sie.
Es sind die Versuchungen der Habsucht, der Ehrsucht und der Machtsucht.
Beginnen wir mit der Habsucht.
Der Teufel tritt heran und sagt: „Wenn du Gottes Sohn bist, so befiehl doch, dass aus diesen Steinen Brot wird.“ Der Versucher flüstert ein und sagt: „Es ist doch nicht nötig, dass du Hunger hast. Leiste dir doch was. Stille doch deine Bedürfnisse sofort. Warte doch nicht. Du kannst dich doch gleich bedienen.“ Das ist die Einflüsterung der Habsucht. „Das muss ich haben und sofort.“ Jesus antwortet hingegen: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt.“ Er bleibt ausgerichtet. Er sagt: „Nein, ich kann ganz gut leben ohne das, was du Versucher mir jetzt vorgaukelst, das ich unbedingt haben muss. Ich muss die Beziehung zum Vater haben. Alles andere ist schön und nett, aber nicht notwendig.“
Vielleicht kann die Fastenzeit auch eine Zeit sein, in der wir uns bemühen, diesem Appell der Habsucht mit Distanz gegenüberzutreten. Ich muss nicht alles gleich und sofort haben – jedes Bedürfnis im Moment befriedigen. Warten!
Das nächste ist die Versuchung der Ehrsucht. Vor den anderen Menschen toll dastehen, bejubelt zu werden. Der Held zu sein. Der Beliebte, der von allen gelobt und anerkannt wird. Das hört sich in der Heiligen Schrift so an, dass der Teufel Jesus nach Jerusalem mitnimmt. Ihn oben auf den Tempel, das wichtigste Gebäude in Jerusalem, stellt. Dort wo alle hinsehen. Und er sagt zu ihm: „Wenn du wirklich Gottes Sohn bist, stürz dich doch hinab. Dann werden dich doch die Engel auffangen.“ Das wäre eine Werbeveranstaltung! Da würde jeder sofort verstehen, wer du bist und dich anbeten. PR! Jesus antwortet und sagt: „In der Schrift steht auch, du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht auf die Probe stellen.“
Also glaube nicht, dass du durch irgendwelche Extravaganzen unbedingt auffallen musst. Es geht nicht darum, dass du den anderen weiß Gott was beweist. Im Beispiel unseres Corona-Virus kann das heißen: Den Herrn nicht auf die Probe zu stellen – also nicht nachlässig zu sein. Es ist auch eine Versuchung zu sagen: „Ich bete den Virus weg. Ich bin so sehr mit Gott verbunden, mir kann nichts passieren. Ich brauche keine Sicherheitsmaßnahme.“ Das wäre auch eine Art, Gott auf die Probe zu stellen. Nicht hysterisch sein, aber auch nicht nachlässig sein im Sinne von: „Mir kann nichts passieren, weil ich ganz anders bin als die anderen. Und ich viel gescheiter bin oder viel heiliger bin.“ Letztlich kann sich ganz verborgen eine Ichsucht einschleichen, im Sinne von „besser sein wollen“. Ganz normal sein!
Das Dritte: Der Teufel nimmt Jesus auf einen hohen Berg, wo er weit sieht. Er zeigt ihm die vielen Ländern, die man von dort sieht. Er bietet ihm an, Herrscher zu sein über die Länder. Die Machtsucht. Wenn Jesus sich nur vor dem Satan niederwirft. Jesus antwortet: „Weg mit dir. Den Herrn, deinen Gott, sollst du anbeten. Ihm allein dienen.“ Jesus bleibt wieder ausgerichtet auf dem Vater im Himmel. Er sagt: „Das Wichtigste ist nicht, dass ich Herrscher bin in den Ländern der Welt, sondern dass ich mit dem Vater verbunden bleibe. Dann wird sich das andere ordnen.“
Also reicher Stoff zum Meditieren, zum Betrachten, was das für das eigene Leben bedeuten kann. Der Umgang mit Habsucht, Ehrsucht und Machtsucht.
Die Verbindung Jesus mit dem Vater wandelt diese Süchte. Die Habsucht wird geteilt in Hingabe, Bereitschaft zu teilen. Die Ehrsucht wird gewandelt in Respekt und Ehrfurcht vor Gott und vor den anderen. Die Machtsucht wird gewandelt in die Bereitschaft zu dienen. Nicht Oberer zu sein und herrschen und anschaffen, sondern anderen helfen, gut leben zu können.
Ich wünsche Ihnen gesegnete, heilige 40 Tage, in denen wir etwas erleben dürfen von diesem Wunder, das durch Jesus möglich wird. Dass innere Haltungen geheilt werden und dass wir wachsen dürfen als Menschen im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe.