Predigt Weihbischof Stephan Turnovszky im Visitationsgottesdienst in der Pfarrkirche Großstelzendorf am Samstag den 15.2.2020
Liebe Schwestern und Brüder!
Viele Themen haben wir gewälzt, in den letzten Stunden, bei manchen Begegnungen. Eines ist mir im Zusammenhang mit dem heutigen Evangelium nachgeklungen:
Wir haben gestern Abend und auch heute Vormittag bei manchen Gesprächen die Beichte thematisiert …, dass sich viele damit schwer tun oder dass die Beichte fremd geworden ist.
Die Leute sagen mir: Was soll ich dort sagen, ich hab keine Sünden!
Nun vermute ich nicht, dass Menschen keine Sünden haben, aber vermutlich kein Bewusstsein haben, was eine Sünde sein könnte. Warum? Weil das mit der Sünde kein angenehmes Thema ist. Das schiebt man lieber weg!
Die frohe Botschaft, die uns gegeben ist, sagt aber: Du brauchst in deinem Leben nichts verstecken, Gott liebt Dich trotz allem! Hab keine Angst, ihm auch deine dunklen Seiten zu zeigen.
Die frohe Botschaft ist so froh, dass die Gläubigen die Sünde nicht zu verstecken brauchen, sondern sie herzeigen, übergeben können.
Um die Sünde zu verstecken, gibt es üblicher Weise zwei Strategien:
- Die eine Weise ist die Leugnung der Gebote.
Das ist in gewisser Weise töricht, denn jeder, der scharf denken kann, weiß, dass es nicht gut ist, Dinge zu tun, die den zehn Geboten widersprechen:
Du sollst Vater und Mutter ehren, Du sollst nicht die Ehe brechen, Du sollst nicht stehlen, Du sollst nicht lügen, Du sollst nicht begehren – Ehepartner oder Gut eines anderen Menschen … Das sind die auf die Menschen gerichteten Gebote.
Und die ersten drei:
Du sollst an e i n e n Gott glauben, seinen Namen hochhalten und den Tag des Herrn heiligen.
Also alles Dinge, die dem Menschen gut tun, im Blick auf den Nächsten oder auf Gott.
Das zu leugnen ist also nicht einsichtig.
2) Die zweite Weise, sich irgendwie die Sünde auszureden, ist die wörtliche Interpretation nach Punkt und Beistrich. Das ist viel raffinierter und das ist die Art und Weise der Pharisäer, die von denen das heutige Evangelium handelt. Die Pharisäer nehmen die Gebote wörtlich und reduzieren sie damit auf ein Minimum.
Etwa beim 5. Gebot: Du sollst nicht töten! sagen sie: „Ich hab doch niemand umbracht!“
Das ist das, was man auch heute manchmal hört: „Ich hab doch niemand umgebracht, also was geht mich das an? Ich hab doch nichts gestohlen!“
Und Jesus wendet sich an die Pharisäer und zeigt ihnen, dass ihr Gewissen etwas „grob-maschig“ ist. Dass sie die Gebote nicht so verstehen, wie sie gemeint sind, nämlich als Lebenshilfe, dass nicht nur die großen Brocken, sondern auch die kleineren Kiesel aussortiert werden sollen, die so den Gang des Herzens beeinträchtigen können.
Jesus wendet sich also an die Jünger und lehrt sie:„Wenn eure Gerechtigkeit nicht weit größer ist, als die der Schriftgelehrten und der Pharisäer, werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen.“
Und dann führt Er aus: Ihr habt doch gehört, dass zu den Alten gesagt worden ist:
Du sollst nicht töten – 5. Gebot! Ich aber sage euch, jeder der seinem Bruder auch nur zürnt, soll dem Gericht verfallen sein!
Jesus lehrt uns damit, dass das 5. Gebot nicht einfacher „grobschlächtig“ zu verstehen ist, im Sinne von niemand umbringen, sondern so gemeint ist, dass der andere Mensch einem heilig sein soll.
Und der Zorn gegen einen anderen Menschen, ist so die erste Regung, die wenn man ihr freien Lauf lässt, womöglich bis zum Finale des Mordes führen könnte.
So sagt Jesus, der sehr sensibel ist: „Wehret den Anfängen, schau, dass du eine seelische Sensibilität entwickelst, die auch schon die kleinen Regungen wahrnimmt und befreie dich von diesen.“
Und Er entfaltet das dann nicht nur am 5.Gebot, sondern auch am 6. und 8.Gebot: „Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist,
Du sollst nicht die Ehe brechen – 6. Gebot. Ich aber sage euch, jeder der eine Frau ansieht um sie zu begehren, hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen.“
Also nicht einfach sagen: „Ja, ich hab doch nicht die Ehe gebrochen!“ sondern viel feinfühliger auf die Art und Weise hinschauen, wie man dem Menschen des anderen Geschlechts begegnet. „ICH-bezogen“ oder ehrfürchtig“.
Und das dritte Beispiel: 8.Gebot – Die Lüge:
„Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt worden ist: Du sollst keinen Meineid schwören, Du sollst halten, was Du dem Herrn geschworen hast.“ Damit war vor allem die Situation bei Gericht gemeint. Wenn einer eine Aussage getroffen hat, die zur Verurteilung eines anderen Menschen führen konnte, da war es besonders gefährlich einen Meineid abzulegen, zu lügen zu Lasten eines anderen Menschen.
Jesus sagt: „Ich aber sage euch, schwört überhaupt nicht! Soll heißen: Ihr sollt es nicht nötig haben, euch jetzt besonders zu deklarieren, dass ihr genau jetzt die Wahrheit sagt.
Ihr sollt immer die Wahrheit sagen! Eure Rede sei JA, dann auch wirklich JA oder NEIN, dann auch wirklich NEIN. Hört auf euch so rauszureden, es euch gut zureden . . . Ausflüchte zu suchen, seid klare Menschen, die klar kommunizieren, auf die man sich verlassen kann, von Handschlagqualität, mit denen man rechnen kann, die verlässlich sind.
Also Jesus erklärt den “Unterbau der Gebote“, das, was mit ihnen im tieferen Sinn gemeint ist, und ist deshalb Lehrer eines glücklichen Lebens im tieferen Sinn.
Ja, jetzt wird man sagen können: Wenn die Gebote so gemeint sind, puuhh…dann kann ich nicht mehr sagen: Ich habe keine Sünde, ja ist
das dann nicht furchtbar, muss ich doch alle paar Tage sagen: ich habe gesündigt?
Ich erinnere wieder an das, was ich am Anfang gesagt habe: Die frohe Botschaft heißt, dass Gottes Liebe weit größer ist! Und wir sollen uns nicht so sehr mit uns selber aufhalten, was wir jetzt geschafft haben oder was wir nicht geschafft haben.
Sondern uns an J e s u s C h r i s t u s wenden und sagen: „Herr hilf mir so zu leben, wie Du es vorschlägst, wie Du es möchtest, lass mich da hinein wachsen!“ Das ist ein Gebet für jeden Tag, eine Ausrichtung für jeden Tag und ab und zu tut es gut, wenn sie auch in der Beichte ihre sakramentale Form findet und ein Mensch ausspricht, das heißt: von sich hinaus lässt, los wird, was es an Unpassendem, Ungutem, Lieblosem gegeben hat.
Ich geh selber ca. alle 5 Wochen beichten, nicht weil ich gar so ein grässlicher Mensch bin, sondern weil ich weiß, dass es mir gut tut, aufmerksam zu sein, genauer hinzuschauen, was sich tut in meinem Leben und da muss ich zugeben, erlebe ich doch vieles, wo ich hinter dem zurück bleibe, was mir eigentlich gut täte und den Menschen um mich.
Und deshalb habe ich die Erfahrung gemacht, die Beichte tut mir gut, die hilft mir dann wieder klarer zu seh‘n – sie befreit mich .
Das was der Herr uns mitgibt, Sonntag für Sonntag, soll nicht eine Botschaft sein, die uns drückt und klein macht, sondern aufrichtet und frei macht. Als Menschen zu leben, die eine Ahnung haben von der Liebe Gottes.
Liebe Schwestern und Brüder! Ich danke allen, die das Pfarrleben in Großstelzendorf tragen, mitverantworten und die dazu beitragen, dass Menschen in ihrem Umfeld eine Ahnung davon bekommen können, wie gut es tut J e s u s C h r i s t u s zu kennen und zum FREUND zu haben .