Gedanken zum 4.Fastensonntag 2020
von Michael Wagner
Die Coronakrise fordert
heraus. Nicht nur das medizinische Personal, die Politiker und die Wirtschaft. Auch
jeden von uns durch die größere Distanz oder die größere Nähe, die wir jetzt
erleben – wie das alles mit mehr Liebe füllen? Fasten – wie Gott es liebt!
Es geht im
Sonntagsevangelium um das richtige Sehen und Deuten der Wirklichkeit.
Ein altes Wort für die Taufe war „Photismos“, das heißt soviel wie „Erleuchtung“. Einer, der getauft ist, und der wirklich von dem erfasst ist, was in der Taufe geschieht, ist ein Erleuchteter, eine Erleuchtete.
Im Evangelium des 4.Fastensonntags wird dieses Taufgeschehen mit der Heilung eines Blinden verglichen, der zum ersten Mal sehen kann. Und in der Lesung aus dem Alten Testament wird das Taufgeschehen mit der Salbung des David zum König verglichen.
Wer getauft wird, dem werden die Augen geöffnet, wer getauft wird, der wird gesalbt mit dem Heiligen Geist, der bekommt einen Auftrag mit, die Welt im Sinne Gottes zu gestalten.
Für Christen geschieht „Erleuchtung“ nicht allein durch unsere eigene Anstrengung, so wichtig innere Disziplin und Einsatz aller Kräfte auch sein mögen. Christen merken, dass die Erleuchtung geschenkt wird, dass wir sie zulassen dürfen/müssen. Maria sagt: mir geschehe nach deinem Wort.
Erleuchtung geschieht durch Beziehung, diese Beziehung wird uns in Jesus geschenkt.
3 Gedanken:
- Nicht Opfer bleiben: Am Anfang geht es um die Frage, wer ist schuld? Auch heute ist bei Unglücksfällen und Schwierigkeiten die erste Reaktion: wer ist schuld? Oft hat das einen guten Sinn. Es gibt Krankheiten, die haben sehr wohl ihre Ursachen im Lebensstil oder in der Umwelt. Es gibt Lebensbehinderungen, die andere verursacht haben.
Aber oft ist die Frage: „Wer ist schuld?“, eine Frage, die lähmt. Damit bleibe ich leicht hängen in einer Opferrolle, die mich passiv sein lässt. Jesus sagt: die Krankheit ist dazu da, dass Gott verherrlicht wird. Oft geht es nicht um das Warum, sondern um das Wozu! Also: was mache ich aus meiner Krankheit? Der Blindgeborene kann sich aus dem Selbstmitleid lösen und erkennt seine Möglichkeiten.
Frage an mich: wo bleibe ich hängen in den Gedanken, dass meine Erziehung, die Eltern, die Umstände, einzelne Menschen mich festlegen? Wo sollte ich die Augen für die Chancen aufmachen, die ich habe. Wo sollte ich mich erinnern, dass Gott will, dass ich lebendig bin – der lebendige Mensch ist die Ehre Gottes.
- Ehrlich hinschauen: Das Evangelium ist ermüdend lange. Es ist deshalb so lange, weil so viel Widerstand da ist. Die Pharisäer wehren sich mit Händen und Füßen gegen das, was offensichtlich ist.
Diese Haltung gibt es in der frommen Variante und in der gottlosen Variante:
Da gibt es fromme Leute, die alles Ungewohnte verdächtigen und alles, was den traditionellen religiösen Bräuchen widerspricht, als verboten bezeichnen. Aber sie übersehen dabei Gottes Wirken.
Und da gibt es ungläubige Leute, die Gott genau vorschreiben, wie er zu handeln habe – es darf keine Wunder geben. Was sie nicht verstehen können, das kann nicht sein. Das Ergebnis des Atheismus waren die atheistischen Diktaturen, die unendliches Unrecht begangen haben…
Der Glaube braucht keine Realität zu negieren. Diese Nüchternheit, das Hinschauen auf die Wirklichkeit, das macht den Christen aus. Wo sollte ich ehrlicher hinschauen, nüchterner, vielleicht länger mit meinem Urteil warten, Dinge gelten lassen?
- Jesus öffnet die Augen des Herzens: Der geheilte Blinde entdeckt immer mehr, dass Jesus ihm das Sehen vermittelt hat. Wer eine Beziehung zu Jesus findet, der wird immer weitergeführt. Das ist die tiefste Erleuchtung, weil sie bleibend wachsen lässt – Nachfolge Jesu führt mich zu meinem Eigensten.
Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes
Die Heilung des Blindgeborenen – Joh 9,1- 41
Unterwegs sah Jesus einen Mann, der seit seiner Geburt blind war.
Da fragten ihn seine Jünger: Rabbi, wer hat gesündigt? Er selbst oder seine Eltern, sodass er blind geboren wurde?
Jesus antwortete: Weder er noch seine Eltern haben gesündigt, sondern die Werke Gottes
sollen an ihm offenbar werden.
Wir müssen, solange es Tag ist, die Werke dessen vollbringen, der mich gesandt hat; es kommt die Nacht, in der niemand mehr wirken kann.
Solange ich in der Welt bin, bin ich das Licht der Welt.
Als er dies gesagt hatte, spuckte er auf die Erde; dann machte er mit dem Speichel einen Teig, strich ihn dem Blinden auf die Augen und sagte zu ihm: Geh und wasch dich in dem Teich Schiloach! Das heißt übersetzt: der Gesandte. Der Mann ging fort und wusch sich. Und als er zurückkam, konnte er sehen.
Die Nachbarn und jene, die ihn früher als Bettler gesehen hatten, sagten: Ist das nicht der Mann, der dasaß und bettelte? Einige sagten: Er ist es. Andere sagten: Nein, er sieht ihm nur ähnlich.
Er selbst aber sagte: Ich bin es.
Da fragten sie ihn: Wie sind deine Augen geöffnet worden?
Er antwortete: Der Mann, der Jesus heißt, machte einen Teig, bestrich damit meine Augen und sagte zu mir: Geh zum Schiloach und wasch dich! Ich ging hin, wusch mich und konnte sehen.
Sie fragten ihn: Wo ist er? Er sagte: Ich weiß es nicht.
Da brachten sie den Mann, der blind gewesen war, zu den Pharisäern.
Es war aber Sabbat an dem Tag, als Jesus den Teig gemacht und ihm die Augen geöffnet hatte.
Auch die Pharisäer fragten ihn, wie er sehend geworden sei. Er antwortete ihnen: Er legte mir einen Teig auf die Augen und ich wusch mich und jetzt sehe ich.
Einige der Pharisäer sagten: Dieser Mensch ist nicht von Gott, weil er den Sabbat nicht hält. Andere aber sagten: Wie kann ein sündiger Mensch solche Zeichen tun? So entstand eine Spaltung unter ihnen.
Da fragten sie den Blinden noch einmal: Was sagst du selbst über ihn? Er hat doch deine Augen geöffnet. Der Mann sagte: Er ist ein Prophet.
Die Juden aber wollten nicht glauben, dass er blind gewesen und sehend geworden war. Daher riefen sie die Eltern des von der Blindheit Geheilten und fragten sie: Ist das euer Sohn, von dem ihr sagt, dass er blind geboren wurde? Wie kommt es, dass er jetzt sieht?
Seine Eltern antworteten: Wir wissen, dass er unser Sohn ist und dass er blind geboren wurde. Wie es kommt, dass er jetzt sieht, das wissen wir nicht. Und wer seine Augen geöffnet hat, das wissen wir auch nicht. Fragt doch ihn selbst, er ist alt genug und kann selbst für sich sprechen!
Das sagten seine Eltern, weil sie sich vor den Juden fürchteten; denn die Juden hatten schon beschlossen, jeden, der ihn als den Christus bekenne, aus der Synagoge auszustoßen.
Deswegen sagten seine Eltern: Er ist alt genug, fragt ihn selbst!
Da riefen die Pharisäer den Mann, der blind gewesen war, zum zweiten Mal und sagten zu ihm: Gib Gott die Ehre! Wir wissen, dass dieser Mensch ein Sünder ist.
Er antwortete: Ob er ein Sünder ist, weiß ich nicht. Nur das eine weiß ich, dass ich blind war und jetzt sehe.
Sie fragten ihn: Was hat er mit dir gemacht? Wie hat er deine Augen geöffnet? Er antwortete ihnen: Ich habe es euch bereits gesagt, aber ihr habt nicht gehört. Warum wollt ihr es noch einmal hören? Wollt etwa auch ihr seine Jünger werden?
Da beschimpften sie ihn: Du bist ein Jünger dieses Menschen; wir aber sind Jünger des Mose. Wir wissen, dass zu Mose Gott gesprochen hat; aber von dem da wissen wir nicht, woher er kommt.
Der Mensch antwortete ihnen: Darin liegt ja das Erstaunliche, dass ihr nicht wisst, woher er kommt; dabei hat er doch meine Augen geöffnet.
Wir wissen, dass Gott Sünder nicht erhört; wer aber Gott fürchtet und seinen Willen tut, den erhört er.
Noch nie hat man gehört, dass jemand die Augen eines Blindgeborenen geöffnet hat.
Wenn dieser nicht von Gott wäre, dann hätte er gewiss nichts ausrichten können.
Sie entgegneten ihm: Du bist ganz und gar in Sünden geboren und du willst uns belehren? Und sie stießen ihn hinaus.
Jesus hörte, dass sie ihn hinausgestoßen hatten, und als er ihn traf, sagte er zu ihm: Glaubst du an den Menschensohn?
Da antwortete jener und sagte: Wer ist das, Herr, damit ich an ihn glaube?
Jesus sagte zu ihm: Du hast ihn bereits gesehen; er, der mit dir redet, ist es.
Er aber sagte: Ich glaube, Herr! Und er warf sich vor ihm nieder.
Da sprach Jesus: Um zu richten, bin ich in diese Welt gekommen: damit die nicht Sehenden sehen und die Sehenden blind werden.
Einige Pharisäer, die bei ihm waren, hörten dies. Und sie fragten ihn: Sind etwa auch wir blind?
Jesus sagte zu ihnen: Wenn ihr blind wärt, hättet ihr keine Sünde. Jetzt aber sagt ihr: Wir sehen. Darum bleibt eure Sünde.